Zusammenfassung Masterarbeit Andreas Iffland M. A.
Erfassung von arzneimitteltherapiesicherheitsrelevanten Herausforderungen und Verbesserungspotenzialen an der Schnittstelle von der ambulanten zur stationären Versorgung in der Klinik für Notfallmedizin eines universitären Maximalversorgers
Einleitung
Der Übergang von der ambulanten zur stationären Versorgung, insbesondere in der Notfallmedizin, stellt eine kritische Schnittstelle für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) dar. Medikationsfehler und arzneimittelbezogene Probleme entstehen häufig durch unvollständige Medikationsdokumentationen, fehlerhafte Dosierungen sowie durch die Multimorbidität und Polymedikation älterer Patienten. Ziel dieser Arbeit ist es, die Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung in einer Klinik für Notfallmedizin eines universitären Maximalversorgers zu analysieren und Lösungsansätze zu erarbeiten.
Material und Methoden
Es erfolgte eine retrospektive Datenerhebung bei stationär aufgenommenen Notfallpatienten aus Routinedaten. Erfasst wurden demografische und klinische Daten. Die Qualität der zur Verfügung stehenden bundeseinheitlichen Medikationspläne wurde durch eine Abweichungsanalyse zur pharmazeutischen Medikationsanamnese nach dem Best-Possible-Medication-History-Prinzip ermittelt. Die medikamentöse Therapie wurde hinsichtlich Nierenfunktion, anticholinerger Last, QTc-Intervall-Verlängerungen sowie weiterer Risikofaktoren auch über das individuelle Pharmakotherapie-Management (IPM) analysiert. Der MERIS-Score wurde zur Bewertung des Risikos für AbPs herangezogen.
Ergebnisse
Die untersuchte Studienpopulation von 100 Patienten (51 % männlich) wies ein Durchschnittsalter von 74,7 Jahren auf, wobei 82 % der Patienten über 65 Jahre alt waren. Im Durchschnitt wurden 10 verschiedene Arzneimittel eingenommen und es fanden 13,3 Einnahmezeitpunkte pro Tag statt. In der pharmazeutischen Medikationsanamnese wurde bei 9 % der Patienten ein regelmäßiger Genuss von Grapefruit(saft) ermittelt.
Es waren 57 bundeseinheitliche Medikationspläne verfügbar und konnten in die Abweichungsanalyse aufgenommen werden, welche ein medianes Alter von 57,5 Tagen hatte. Bei 26 % der ausgewerteten BMPs war keine Abweichung ermittelbar. Nur 8 Pläne waren sowohl digital verarbeitbar als auch abweichungsfrei. Rund 60 % der Patienten hatten eine eingeschränkte Nierenfunktion (eGFR >60 mL/min x 1,73 m2). Im Durchschnitt wurden über das IPM 9,6 arzneimittelbezogene Probleme pro Patient identifiziert, darunter inadäquate Dosierungen, kontraindizierte Arzneimittel, UAWs sowie Interaktionen und potenziell inadäquate Medikationen auf Grund des Patientenalters. Der durchschnittliche MERIS-Score der Gesamtpopulation betrug 16,8 und lag damit deutlich über dem Risikoschwellenwert von 12. Die Ergebnisse des IPM korrelierten mit dem ermittelten MERIS-Score und dem Cut-off von 12.
Diskussion
Die Ergebnisse verdeutlichen die Schwächen und Gefahren und Potenziale im Medikationsmanagement an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Hauptprobleme sind veraltete und unvollständige Medikationspläne, unzureichende Anpassungen der Medikation an die Nierenfunktion sowie in Einzelfällen z. T. hohe anticholinerge Last, die insbesondere bei älteren Patienten kritisch ist. Beim Auftreten von Symptomen und deren Bewertung sollte immer eine mögliche UAW, auch auf Grund einer drug-drug- oder food-drug-Interaktion in Betracht gezogen werden. Das IPM detektiert über Organfunktionen, Kontraindikationen, UAWs, Interaktionen und Dosierungen zusätzliche individuelle Medikationsprobleme bei Polymedikation, die über die der Anwendung von Hilfslisten wie PRISCUS und FORTA hinausgehen. Die Verwendung des MERIS-Scores ermöglicht eine effiziente Risikoabschätzung und Priorisierung von Medikationsanalysen.
Schlussfolgerung und Ausblick
Die Analyse zeigt, dass die Schnittstelle von der ambulanten zur stationären Versorgung im Rahmen der Notfallmedizin durch strukturelle und organisatorische Defizite gekennzeichnet ist, welche die Patientensicherheit gefährden. Kritisch sind insbesondere die mangelhafte Qualität der Medikationsdokumentation und die fehlende Anpassung der Therapie an patientenspezifische Parameter.
Für die Verbesserung der AMTS sollten digitale Lösungen mit Integration der Medikationsdaten, einheitliche Medikationspläne und interprofessionelle Ansätze gefördert werden. Der verstärkte Einsatz von pharmazeutischem Personal und die Einführung risikobasierter Instrumente könnten dazu beitragen, die Patientensicherheit zu erhöhen. Die zukünftige Forschung sollte den Einsatz solcher Maßnahmen evaluieren, um eine evidenzbasierte Grundlage für Optimierungsstrategien zu schaffen.